Regionalia

Christian Henke

Alfred Jäschke (1886–1953)

 

Görlitzer Fotohandwerker

Porträtist Gerhart Hauptmanns

Dokumentarist in vier Gesellschaftssystemen

 

BLENDE AUF

Nicht wenige Görlitzer werden beim Blättern in den Familienfotoalben Aufnahmen mit dem Autorenvermerk „Alfred Jäschke“ vorfinden. Während meiner Beschäftigung mit dem Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann (1862–1946) und seinem getreuen Hallenmaler Johannes M. Avenarius (1887–1954) stieß ich am Bildrand von Fotografien häufig auf die in sich verschlungenen Initialen A und J. Sie verweisen auf die Urheberschaft von Alfred Jäschke, dem profilierten und prominenten Meisterfotografen aus Görlitz. Grund genug, diesem Mann und seinem Werk nachzuspüren und seine Lebensbahn dem dichter werdenden Nebel aus Vergangenheit und Vergessen zu entreißen.

Alfred Jäschke zählt nach dem aus Bunzlau (Bolesławiec) stammenden Altmeister Robert Scholz (1843–1926) zur zweiten Generation etablierter Görlitzer Fotografen. Pionierarbeit leistete er bei der Anwendung und Propagierung neuer technischer Möglichkeiten auf dem Foto- und Schmalfilmsektor sowie der Sammlung und Erschließung fotohistorischer Artefakte. Zudem tangiert sein Schaffen auch mehrere andere Betätigungsfelder von stadt- und regionalgeschichtlicher Bedeutung. Er mußte seine Arbeit als selbständiger Fotograf einordnen in die differierenden Anforderungen und Zwänge von vier Gesellschaftssystemen und Staatsformen, die sich mit unterschiedlicher Intensität auch auf sein lichtbildnerisches Schaffen und seine gesellschaftliche Aktivität auswirkten. Geschuldet dieser Tatsache und der breit aufgestellten wie aktiv-optimistischen Lebensführung des Fotografen ist eine beiläufige Vermittlung von zeitgeschichtlichem Kolorit geradezu programmiert.

Alfred Jäschke als vielseitig interessierter Allroundman war stets bereit zu Unternehmungen aller Art in berufsständischen wie kulturellen Organisationen und Vereinen als ideenreicher Anreger, pragmatischer Organisator und unentwegter Macher, ganz selten nur als stillerTeilhaber. In seinem Selbstverständnis als Fotograf gehörte es zu seinen Eigenschaften, nie wirklich außer Dienst zu sein. Die Zahl der von ihm überlieferten Schwarz-Weiß-Fotodokumente in öffentlichen und privaten Sammlungen, vor allem im Görlitzer und Berliner Umfeld, ist Legion. Erhebliche Lücken klaffen aber in den archivalischen Beständen seiner Farbaufnahmen, und bis auf klägliche Reste sind seine Schmalfilmproduktionen verlustig gegangen oder nicht mehr auffindbar.

Die Patina der im vorliegenden Band zum größten Teil erstmalig veröffentlichten Fotos wurde zur Wahrung der Authentizität weitgehend beibehalten. Schwierig gestaltete sich die Recherche zu seinem Lebenslauf. Biografische Aufzeichnungen sind nur ausnahmsweise vorhanden, und da das Ehepaar Alfred und Elisabeth Jäschke kinderlos blieb, laufen auch genealogische Nachforschungen ins Leere. So mußten viele Fakten aus Sekundärquellen wie ein Puzzle zusammengefügt werden, um der Vielseitigkeit von Alfred Jäschke gerecht zu werden.

Sehr wertvoll für die Recherchearbeit erwiesen sich einige ergiebige Begegnungen mit Personen aus der Nachkommenschaft des Umfeldes von Alfred Jäschke, die wesentlich zur Aufhellung der Persönlichkeit des Fotomeistersbeitrugen.

Die vorliegende Publikation erhebt nicht den Anspruch eines Fotofachbuches, dazu sind weder der
Verlag noch der Autor prädestiniert. Vielmehr soll dem Werden und Wachsen eines Fotografen in der
Eingebundenheit seiner Zeit nachgespürt werden. Bei der inhaltlichen Konzeption wurde auch Wert darauf gelegt, die individuell bedingten Aspekte der Betätigung von Alfred Jäschke zu betonen. Als typischer Vertreter der städtischen Mittelklasse füllt Alfred Jäschke ein ganzes Spektrum bürgerlicher Kulturaneignung im Vorkriegs-Görlitz. Deshalb werden zur Vertiefung der Biografie seine Arbeit für Gerhart Hauptmann und seine ausgeprägte Tätigkeit in Vereinen unterschiedlicher Couleur ausführlich gewürdigt.

In manchen Teilen ist der Text auf Projektionen und Vermutungen angewiesen. Verlag und Autor würden es deshalb mit Interesse und Dankbarkeit begrüßen, wenn Ergänzungen, Erinnerungen und Erweiterungen durch die Leserschaft zu einer schärferen Konturierung der Person des Görlitzer Fotomeisters führten.

Christian Henke

Kartoniert, 272 S.
ISBN 978-3-86276-275-0
EUR 28,00
Buchpremiere
Freitag 17. Mai, 18 Uhr
Schlesisches Museum Görlitz