Regionalia

Clara Bauer

Ein Dokument

Kabale und Liebe in der russischen Provinz. Eine packende Familiengeschichte über zwei Generationen in einem Land des Umbruchs.

In den letzten Jahren ihres kurzen Lebens hat Clara Bauer unter dem Pseudonym Karl Detlef mehrere Novellen und Romane geschrieben, von denen besonders ihre bewegenden, psychologisch scharfzeichnenden und anschaulichen Lebensbilder der russischen Gesellschaft um die Mitte des 19. Jahrhunderts von den Lesern mit großem Interesse aufgenommen wurden.

Geboren wurde Clara (auch: Klara) Bauer am 23. Juni 1836; einigen Quellen zufolge in Swinemünde als Tochter eines Hafendirektors, als Geburtsort wird aber auch Krotoschin in der preußischen Provinz Posen genannt, wohin ihr Vater als Landrat versetzt worden war. Nach dem Tod des Vaters folgte Clara ihrer älteren Schwester nach Breslau, wo sie das Lehrerinnenexamen absolvierte. In Dresden erhielt sie Klavierunterricht bei Friedrich Wieck (Pretzsch 1785–1873 Loschwitz).

In Petersburg war sie im Haus eines russischen Generals als Pianistin tätig und begegnete dem kaiserlichen Hofpianisten und Generalmusikdirektor Adolf Henselt (Schwabach 1814–1889 Bad Warmbrunn), der ihr weiteren Unterricht gab. In dieser Zeit war sie auch oftmals Gast im Hause des preußischen Gesandten am russischen Hof, Fürst Otto von Bismarck. Clara Bauer blieb drei Jahre in Petersburg und ein Jahr im zentralrussischen Orjol. Dann zwang ihr Gesundheitszustand sie, das strenge russische Klima zu verlassen und 1866 nach Dresden zurückzukehren. Sie arbeitete als Musiklehrerin und lernte den Dichter und Kritiker Gustav Kühne (Magdeburg 1806–1888 Dresden) kennen, der dem Jungen Deutschland angehörte. Diese Begegnung ermutigte sie, ihren bereits in früher Jugend in einem Brief an Heinrich Heine eingestandenen literarischen Ambitionen zu folgen (vgl. das Nachwort zur Neuausgabe "Unlösliche Bande", Neisse Verlag 2016).

So wurde der Name Karl Detlef, hinter dem sich Clara Bauer in allen ihren Werken verborgen hat, in die deutsche Literatur eingeführt. In dem von Friedrich Wilhelm Hackländer herausgegebenen illustrierten Wochenblatt "Über Land und Meer", das auch Fontane, Gerstäcker, Gutzkow, Heyse, Karl May und Wilhelm Raabe veröffentlichte, war 1868 ihr Debüt zu lesen, die Novelle „Bis in die Steppe“ (sie wird im Sommer 2020 im Neisse Verlag neu aufgelegt). Im Jahr darauf erschien dieses Werk als Buch im Verlag Eduard Hallberger, dem die Schriftstellerin ebenso treu blieb wie ihrem Pseudonym. Erst zwei Jahre vor Clara Bauers Tod erfuhren die Leser aus Hackländers Zeitung (Stuttgart 1874, 16. Jg., 2. Band, S. 526), daß die kenntnisreichen Schilderungen russischer Lebensbilder und Landschaften von dieser aus kleinstädtischem Bürgertum stammenden jungen Frau, einer deutschen Lehrerin und Pianistin, geschrieben worden sind.

Ihr unheilbares Brustleiden führte Clara Bauer 1875 in das Haus ihrer Schwester in Breslau, wo sie am 29. Juni 1876 verstorben ist. In ihrem Todesjahr erschien der wiederum in Rußland handelnde vierbändige Roman „Ein Dokument“. Dieses Werk wird hiermit als zweibändige Ausgabe im Neisse Verlag nach über 140 Jahren erstmals neu veröffentlicht. Band 2 mit dem Dritten und Vierten Buch der Originalausgabe folgt im Frühjahr 2020.

 

Als mich meine melancholischen Gedanken auf der Reise einige Zeit verließen, las ich "Ein Dokument". Die Geschichte wird immer schöner und bewegender. Wir werden viel Freude haben, sie zusammen zu lesen.

Alfred Nobel an Sofie Hess, 8. Juli 1879

In: A Nobel Affair. The Correspondence between Alfred Nobel and Sofie Hess. Edited and translated by Erika Rummel. University of Toronto Press. Toronto, Buffalo, London 2017, S. 54.

Kartoniert, 424 S.
ISBN 978-3-86276-207-1
EUR 18,00