Regionalia

Monika Taubitz

Miniaturen der Erinnerung

Erinnerungen an Felicitas Barg, Ernst Günther Bleisch, Helene Freifrau von Bothmer, Karl Freiherr von Bothmer, Hilde Domin, Anna Heinze, Johannes Hillen, Schwester Hubertina, André Ficus, Willibald Köhler, Dino Larese, Else Levi-Mühsam, Hans Lipinsky-Gottersdorf, Fritz Lubrich, August Marx, Dagmar von Mutius, Peter Horst Neumann, Carl Ritter, Richard Schiedel, Dietmar Scholz, Max Tau, Hans Tesch, Arnold Ulitz, Wolfgang von Websky, Adam Zagajewski, Helena Zenker und an eine Gastfamilie 1947.

Von meinem Schreibtisch aus wandert mein Blick durchs Fenster in nordwestliche Richtung, gibt mir Gelegenheit innezuhalten, um die Lichtspiele am Himmel zu verfolgen. Wenn an klaren Tagen das Blau verblaßt, übernimmt die Abendsonne für eine Weile die Regie mit feurigen Aufführungen in Rot und Orange, übergießt die Wolken mit wilden Farbvorführungen, setzt jedoch neben den kühnen Überschwang zarteste Pastelltöne, bis sie sich verabschiedet und das Schauspiel verdämmernd erlischt.

Der Abend ist da.

Auch mein Abend ist gekommen, zeigt mir noch immer viele Bilder, und ich schaue dankbar auf das Gute, das mir in meinem langen Dasein vergönnt war, mir noch immer geschenkt wird, mich teilhaben läßt am Leben, das reich an Begegnungen und Schönem ist.

Vieles, was ich erlebte, ist inzwischen verblaßt oder gar vergessen, vor allem das Negative, das mir auch begegnete und nicht des Erinnerns wert ist.

Das Lebensbedrohende, das mir während meiner Kindheit durch Krieg, Vertreibung, Verlust und Hunger widerfuhr, ist überstanden. Einiges wandelte sich sogar zum Unerwarteten, Guten.

Der früh erfahrene Mangel an allem lehrte mich, Notleidenden gegenüber aufmerksam zu bleiben, ihnen gegenüber Empathie zu verspüren.

Aus früh erlebten Notzeiten blieb mir bis heute die Gabe, mich auch an kleinen Dingen erfreuen zu können. Damals war es ein mir geschenkter Apfel oder ein Stück Brot, heute sind es Freundlichkeit und Zuwendung der Mitmenschen wie auch die trotz aller Gefährdung unerschöpflichen Gaben der Natur, welche mein Herz erfreuen.

Dies alles bewußt empfinden zu können, ist ein Geschenk meiner Eltern, die mich früh in ihren Gärten aufwachsen ließen.

Ebenso danke ich für die Gabe des Schreibens, die sich bei mir aus der Not heraus entwickelte. Ein paar Blätter Papier und ein Stift. Kaum mehr war geblieben …

Als größten Schatz betrachte ich jedoch die Menschen, die meine Kindheits- und Jugendjahre begleiteten, mich behüteten, mich ermunterten und förderten, mir in Freundschaft zugetan waren, oder mir zu Vorbildern wurden

Ihnen widme ich meine Miniaturen der Erinnerung.

[…]

Im Jahr der Pandemie 2021 habe ich die Lebensbilder der Menschen verfaßt, die mir während meines Vorhabens in den Sinn kamen. Sie alle leben nicht mehr, sollen im Geschriebenen jedoch anwesend bleiben. Schreibend wollte ich ihrer gedenken, unterstützt durch mein Erinnerungsvermögen, meine Aufzeichnungen, hin und wieder auch durch Recherchen im Internet, wie auch durch ihre Briefe oder ihre Werke.

Die Wiederbegegnung mit ihnen hat mir den durch die Zeit der Pandemie erzwungenen Rückzug erleichtert, ihn sogar bereichert.

Monika Taubitz, Meersburg am Bodensee

Einbandillustration: André Ficus

Kartoniert, 228 S.
ISBN 978-3-86276-338-2
EUR 18,00