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SILESIA NOVA 2–3/2016

Inhalt

Detlef Krell: Editorial

Heinrich Olschowsky: Meine Begegnungen mit Tadeusz Ró?ewicz

Christian Pilz: "Ich laufe blind und werde doch gesehen. Laudatio zur Verleihung des Eichendorff-Literaturpreises an Christian Lehnert

Christian Lehnert: Unaussprechlich klar. Dankrede zum Eichendorff-Literaturpreis

Monika Taubitz: Schlesien im östlichen Allgäu. Die 66. Wangener Gespräche des Wangener Kreises - Gesellschaft für Literatur und Kunst: Der Osten e. V.

Monika Taubitz: Den Gedanken Audienz. Carl Ritter (1903-1984), einer der Gründerväter des Wangener Kreises - Gesellschaft für Literatur und Kunst: Der Osten e. V.

Thomas Maruck: Orpheus läßt seinen Gesang durch Breslau wehen

Theodor von Gosen: "Mir war Breslau bestimmt. Es sollte mein Schicksal werden."

Das dunkle Schiff. Auserlesene Sonette, Gedichte, Epigramme des Andreas Gryphius. Mit einem Nachwort herausgegeben von Klabund. Roland-Verlag Dr. Albert Mundt München 1916

Kinga Oworuszko: "Nach Carlsruh in die Comödie!" Carlsruher Hoftheater im Spiegel der Schlesischen Provinzialblätter

Henk J. Koning: Karl von Holtei und die österreichische Kaiserhymne

Rudolf Friemelt: Braumeister und Branntweinbrenner, Brauereien und Brennereien im Hirschberger Tal um 1800

Christian Henke: Malerpoet zwischen Euphorie und Resignation. Johannes Maximilian Avenarius und sein Schlesien-Roman "Schöpse-Christel"

Andrzej D?bski: Kinos in Niederschlesien einst und heute

Roland B. Müller: Das zurückgekehrte Banner Breslauer Sozialdemokraten

Rezensionen: Hans Mattern über Leszek Dziemianko u. a.: Heinrich Laube (1806-1884), Wolfgang Schlott über Peter Richter: Dresden Revisited

Ernst Josef Krzywon: Gedichte

 

 

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

mein erster Film von Andrzej Wajda war "Das gelobte Land". Im Herbst 1976 wurde er in den Kinos der DDR gezeigt; ich sah ihn als Achtzehnjähriger im Dresdner Faunpalast, einem schönen Kino aus den 1920er Jahren, das es heute längst nicht mehr gibt. Die Wucht der Bilder in diesem Film hat mich nie mehr losgelassen, bis heute sehe ich Szenen vor meinem inneren Auge. Ich wußte bis dahin nicht, daß Geschichte so erzählt werden kann. Im Jahr zuvor hatte ich im Kunstmuseum ?ód? die verstörenden Plastiken von Alina Szapocznikow, die Objektkunst und Malerei von Tadeusz Kantor gesehen. Das waren meine ersten Begegnungen mit polnischer Kunst. Sie entfachten eine lebenslange Faszination und das Interesse für Polen. Andrzej Wajdas Filme "Asche und Diamant" und "Der Mann aus Marmor" konnte ich erst im demokratischen Deutschland kennenlernen. Am 9. Oktober 2016 ist der Regisseur und Jahrhundertchronist in Warschau gestorben.

An seine Begegnungen mit dem Dichter Tadeusz Rozewicz erinnert sich in diesem Doppelheft der Berliner Polonist Heinrich Olschowsky. Das erste Mal traf er den "Gegenstand" seiner Dissertation in einem Krakauer Hotel, er erinnert Rozewicz als freundlich-irdisch: "So wenig Extravaganz, so viel Alltäglichkeit".

Den diesjährigen Eichendorff-Literaturpreis des Wangener Kreises erhielt der 1969 in Dresden gebürtige Christian Lehnert. Laudator Christian Pilz mag die Gedichte des Theologen nicht unter dem "Stichwort christliche Lyrik" abheften, "man verfehlte sie damit grundlegend. Das hieße, mit Eichendorff gesprochen, von der Literatur und der Religion 'schwatzen nach der Welt Gebrauch', hieße beides, Religion wie Literatur, so Eichendorff, als 'Plunder' ausgeben."

Monika Taubitz berichtet von den Wangener Gesprächen und erinnert an einen der Initiatoren dieser nun schon im 66. Jahrgang angekommenen Zusammenkunft von in Schlesien geborenen oder mit Schlesien verbundenen Schriftstellern, Künstlern und Publizisten. Der einst Glogauer Buchhändler Carl Ritter war 1947 samt einigen über die Nazizeit geretteten Bücherkisten in dem Allgäustädtchen gestrandet. In seiner neuen Buchhandlung hatten sich namhafte schlesische Autoren das erste Mal nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wiedergesehen. Das kleine Porträt des leidenschaftlichen Literaturfreundes und Schlesiers läßt sich einmal mehr auch als Anregung lesen, die Geschichte des Wangener Kreises in einer wissenschaftlichen Monographie aufzuarbeiten und in die deutsche Nachkriegsgeschichte einzuordnen.

Thomas Maruck war am 3. September in Breslau dabei, als Stadtpräsident Rafa? Dutkiewicz und Museumsdirektor Maciej ?agiewski eine Bronzereplik des Orpheus-Kopfes von Theodor von Gosen enthüllten. Die Skulptur wurde von dem Breslauer Bildhauer Stanis?aw Wysocki und dessen Sohn Micha? geschaffen. Theodor von Gosen ist in Breslau mit mehreren Werken im öffentlichen Raum erlebbar. In seiner Selbstbiographie von 1933 beschreibt er humorvoll seine Annäherung an dieses "ominöse Breslau", eine Stadt "weit dahinten", wo ihn Hans Poelzig als Akademielehrer durchaus haben wollte.

"Es sind unwürdigere Jubiläen gefeiert worden", resümierte der Dichter Klabund im Jahr 1916 den 300. Geburtstag von Andreas Gryphius. Das gilt heute nicht minder, deshalb erscheint die im Weltkriegsjahr von Klabund herausgegebene Anthologie von Sonetten, Gedichten und Epigrammen des Barockdichters hier komplett, sozusagen in barocker Fülle, als Neudruck zum 400. Geburtstag.

Kinga Oworuszko führt uns "Nach Carlsruh in die Comödie", sie entdeckt ein Hoftheater im Spiegel der Schlesischen Provinzialblätter. Henk J. Koning erzählt, wie Karl von Holtei dazu gekommen war, die österreichische Kaiserhymne neu zu verfassen, was nötig geworden war, weil dem Kaiser - einsilbig - Franz der Kaiser - dreisilbig - Ferdinand folgte, und was das dem schlesischen Dichter eingebrockt hat.

Auf den Spuren seiner Familiengeschichte hat der niedersächsische Landpfarrer Rudolf Friemelt einige Braumeister im Hirschberger Tal entdeckt. Das war Anlaß, sich die Braumeister und Branntweinbrenner, Brauereien und Brennereien am Fuße der Schneekoppe um 1800 genauer anzusehen. Für lange Spätherbstabende ein unterhaltsamer Exkurs in einen bisher wohl selten beleuchteten Bereich der Wirtschafts-, Kultur- und Alltagsgeschichte des schlesischen Riesengebirges. Dazu paßt ein gepflegtes Bier.

Der Avenarius-Forscher Christian Henke aus Niesky besitzt das unveröffentlichte Manuskript des Schlesienromans Schöpse-Christel. Johannes Maximilian Avenarius begibt sich darin in seine Geburtsstadt Greiffenberg im Jahr 1893. Um die Veröffentlichung wurde ein jahrelanger erfolgloser Kampf geführt, wie der Herausgeber einer kommentierten und gekürzten Ausgabe des Schöpse-Christel (Neisse Verlag 2017) in diesem Heft berichtet.

In die jüngere niederschlesische Geschichte führen die Beiträge von Andrzej D?bski über Kino in Niederschlesien und Roland B. Müller über das aus niedersächsischem Exil an die Oder zurückgekehrte Banner des Breslauer SPD-Ortsvereins Distrikt 20, das in der im Juni eröffneten überarbeiteten Ausstellung des Breslauer Stadtmuseums zu sehen ist.

Für die erhebliche Verzögerung bei der Herausgabe dieses Heftes möchten wir vor allem unsere Abonnenten um Entschuldigung bitten. Es ist müßig, hier die Hemmnisse aufzudrießeln, die einem kleinen Verlag auf dem Weg zum Buch begegnen können. Um so mehr freuen wir uns, Ihnen diese Doppelausgabe vorlegen zu können

Detlef Krell

ISBN 978-3-86276-220-0 / 236 S. / EUR 18,00