Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft

Ilona Czechowska

Sprachliche Bilder in den Übersetzungen der Lyrik von Tadeusz Rózewicz durch Karl Dedecius

Es ist das Schicksal des Übersetzers, dass seine Arbeit je nach Geschmack des Kritikers mit sehr allgemeinem Lob  oder Tadel bedacht wird.  Für eine tiefere Analyse seiner Werkstatt fehlen oft Kompetenz und Aufmerksamkeit. Die Verfasserin der vorliegenden Abhandlung hält sich mit kritischer Wertung der herangezogenen Übersetzungen zurück, auch wenn sich beim Leser die Erwartung einer solchen unwillkürlich einstellt. Ihr Anliegen ist es, zu zeigen, wie sich die sprachliche Bildlichkeit der Gedichte Tadeusz Różewicz’s, jenseits der ornamentalen Metapher, die der Dichter verwirft, im Übertragungsprozess verändert.

Das hat sie in den drei Kapiteln ihrer Arbeit, dem biographischen, linguistisch-theoretischen und textanalytischen, mit konkreter Anschaulichkeit realisiert.

Karl Dedecius, maßgebende Gestalt im polnisch-deutschen Literaturtransfer und Autodidakt, huldigte keiner bestimmten Übersetzungstheorie. Er kannte die Aporie allen Übersetzens: Die als Treue gegenüber dem Original ausgegebene Wortwörtlichkeit erbringt als Ausdruck in der Zielsprache selten mehr als befremdliches Stottern. Aus seiner übersetzerischen Erfahrung und gestützt auf die Autorität von  Horaz, Hieronymus und Wieland leitete er das Konzept der „goldenen Mitte“ ab, einen Balanceakt zwischen  der Nähe zur Intention des Autors und der Freiheit eines originellen Ausdrucks in Hinblick auf den Leser in der Zielsprache.

Die Verfasserin bemüht als Instrumentarium ihrer Untersuchung gleichwohl verschiedene theoretische Modelle, die die Poetizität linguistisch zu definieren suchen. Womit es freilich nicht leichter wird, am konkreten Artefakt der Übersetzung den poetischen Bedeutungszuwachs nachzuweisen. Różewicz und sein Übersetzer waren Generationsgefährten und Freunde, die Übertragungen verdanken sich keinem  Zufall. Sie bilden das Herzstück des umfangreichen Übersetzungswerks aus der polnischen Lyrik von Dedecius. Was ihre Wahl zum Gegenstand dieser Untersuchung zusätzlich rechtfertigt. Die langjährige persönliche Zusammenarbeit der Verfasserin mit Karl Dedecius erleichterte ihr den Zugang zu den Arbeiten und Ansichten des verdienstvollen Übersetzers.

 

Prof. Heinrich Olschowsky

 

Inhalt

Einleitung

1. Karl Dedecius – Beginn seiner übersetzerischen Tätigkeit

1.1. Dedecius‘ Grundsätze für den Eigengebrauch
1.2. Dedecius‘ Vorbilder
1.3. Wortwörtliche Übersetzung – Dedecius‘ Kritik an Benjamins Theorie

1.3.1. Zwischen freier und wortwörtlicher Übersetzung
1.3.2. Zwischen wortwörtlicher und formtreuer Übersetzung
1.3.3. Quadratur des Kreises.
1.3.4. Das Gesetz der Mittelbarkeit

2. Lyrik als Kommuninaktionsform

2.1. Das sprachliche Zeichen als Kommunikationsträger

2.1.1. Zeichenfunktionen im Kommunikationsprozess
2.1.2. Kritik am Bühlerschen Modell

2.2. Sprach- und Textfunktionen im Kommunikationsakt

2.2.1. Sprachfunktionen - Jakobsons Modell in der Kritik
2.2.2. Sprachfunktionen im Lichte einer Übersetzung

2.3. Poetizität vs. Poesie
2.4. Abweichungen

3. Das sprachliche Bild vs. die Bildlichkeit im Kontext der Textanalyse

3.1. Vom Wesen eines lyrischen Textes
3.2. Ein paar Bemerkungen zur Textanalyse
3.3. Von der Semantik eines lyrischen Textes

3.3.1. Kategorisierung.
3.3.2. Mono- vs. Polyfunktionalismus

3.4. Metapher

3.4.1. Metapher – eine allgemeine Definition
3.4.2. Traditionelle vs. Kognitive Sicht auf die Metapher
3.4.3. Metaphern als Bildspender

3.5. Zum Charakter sprachlicher Weltbilder
3.6. Sprachliche Bilder in der Dichtung.

3.6.1. Grammatische Mittel
3.6.2. Zur Wahrnehmung der Wirklichkeit

3.7. Die Prägung des sprachlichen Bildes im Kontext des Übersetzungsverfahrens

4. Veränderungen sprachlicher Bilder im Übersetzungsprozess am Beispiel der Dichtung von Tadeusz Różewicz

4.1. Zur Geschichte der Rezeption Różewiczs in Deutschland

4.1.1. Różewicz, Dedecius – erste Begegnungen
4.1.2. Die Glaubwürdigkeit der Texte Różewiczs

4.2. Zu Różewiczs Stil
4.3. Bildprägung

4.3.1. Lexikalische Referenzen
4.3.2. Różewiczs Autokorrekturen

4.4. Różewiczs Dichtung im Kontext der Übersetzung
4.5. Sprachliche Bilder im Übersetzungsprozess

4.5.1. Das sprachliche Bild der Lyrik in der Übersetzung – ausgewählte Aspekte
4.5.2. Das sprachliche Bild der Lyrik in der Übersetzung – im Vergleich vollständiger Texte am Beispiel des Gedichtes „Ich schrieb“
4.5.3. Das sprachliche Bild des Todes in der Übersetzung
4.5.4. Das sprachliche Bild der Verwandtschaft

Schlussfolgerung
Zusammenstellung der wichtigsten Gedichte von T. Różewicz und ihrer Übersetzungen
Copyrightangaben und Quellenhinweise
Interview mit K. Dedecius zum Thema Übersetzen
Literatur

Kartoniert, 312 S.
ISBN 978-3-86276-245-3
EUR 32,00