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Werkausgabe von Clara von Sydow

Mit der Neuausgabe des Hiddensee-Romans "Einsamkeiten" von 1911 eröffnet der Neisse Verlag in seiner Edition Gellen eine Werkausgabe der zu Unrecht weithin vergessenen vorpommerschen Schriftstellerin Clara von Sydow (1854–1928).

"Einsamkeiten" ist ihr letztes und reifstes Werk, ein Bernstein impressionistischer Literatur.

Clara von Sydow wurde am 17. Juni 1854 in der Hafen- und Garnisonsstadt Stettin geboren. Ihr Vater, Friedrich Bernhard Oscar von Sydow, stammte aus der sächsischen Bergstadt Freiberg im Erzgebirge. Er heiratete in zweiter Ehe die in der ebenfalls erzgebirgischen Bergstadt Annaberg gebürtige Ida von Hagen. In Stettin war von Sydow zehn Jahre lang Militäroberpfarrer des II. Armeekorps. Als er die Superintendentenstelle in Altenkirchen auf Rügen erhielt, die er bis zu seinem Tod 1886 bekleidete, war Clara von Sydow drei Jahre alt.

Ihre Kindheit und Jugend verlebte sie im Norden der Insel Rügen. Durch ihren Vater und durch Hauslehrer erhielt sie Unterricht. Im Alter von 13 Jahren besuchte sie die Höhere Töchterschule in Frankfurt/Oder, mußte aber nach zwei Jahren ins Vaterhaus zurückkehren, um die jüngeren Geschwister zu unterrichten. 1876 bestand sie in Frankfurt/Oder das Lehrerinnenexamen.

Die Angaben zu ihrer Biographie beziehen sich auf einen Artikel im „Lexikon deutscher Frauen der Feder“, Berlin 1898. Demnach schrieb Clara von Sydow in dieser Zeit ihre ersten literarischen Texte. In Frankfurt/Oder begegnete sie Ernst von Wildenbruch (1845–1909), der dort als Referendar am Appellationsgericht tätig war und gleichfalls am Beginn seiner Arbeit als Schriftsteller stand, die ihn als vielbeachteten Autor des Historiendramas hervortreten lassen sollte. Wildenbruch soll, ebenso wie Paul Heyse (1830–1914), der Literaturnobelpreisträger von 1910, Clara von Sydow zum Schreiben ermutigt haben. Es wäre spannend, dafür Belege zu finden, hat doch der prominente Heyse in eben jener Zeit auch Theodor Storm gefördert und mit Theodor Fontane, Gottfried Keller und anderen bedeutenden Schriftstellern korrespondiert. In Clara von Sydows Werk sind Blaupausen dieser starken Mentoren jedenfalls nicht auszumachen.

Nach dem Tod Oscar von Sydows zog die Familie nach Berlin. Die Mutter starb dort 1897. Clara von Sydow arbeitete als Lehrerin und schrieb weiter Novellen, Gedichte und Romane. 1880 erschien in der auflagenstarken Illustrierten „Gartenlaube“ in Fortsetzungen ihre stralsundische Geschichte „Dorette Rickmann“, 1881 in der „Deutschen Rundschau“ in zwei Teilen die Novelle „Was macht man auf Hohenstein?“, 1882 in der „Gartenlaube“ die Novelle „Spätsommer“, 1885 in der renommierten Kulturzeitschrift „Westermanns Monatshefte“ die Novelle „Die Silhouette“.

Diese beiden letzteren Novellen konnte die Autorin 1887 im Piersons Verlag Dresden und Leipzig als Buch veröffentlichen, und weil die Manuskripte so lange beieinander im „Tischkasten“ der Schriftstellerin ausharren mußten, sollten sie unter dem Titel „Alte Gefährten“ wieder ans Licht kommen. Die Handlungen beider Novellen sind auf der Insel Rügen angesiedelt.

1884 kam bei den Gebrüdern Paetel in Berlin – dem Verlag der von Clara von Sydow besonders verehrten Marie von Ebner-Eschenbach sowie von Theodor Storm, Paul Heyse und weiteren maßgeblichen Autoren – der Roman „Das selbe Lied“ heraus, der wiederum auf Rügen handelt. Im Jahr 1900 folgte in Fehsenfelds Romansammlung – der Verleger wird sich bald darauf Karl May zuwenden – die in einem hessischen Kurort verortete Novelle „Miteinander“.

Die Pflichten gegenüber ihren Geschwistern nach dem Tod der Mutter, neben der Arbeit als Lehrerin, werden sie in einem Maße in Anspruch genommen haben, das ihre literarische Produktivität eingeschränkt hat. Es gibt Werktitel, die in den raren Berichten über die Schriftstellerin genannt werden, aber derzeit nicht zu verifizieren sind. 1911 erschien bei Beck in München der Roman „Einsamkeiten“. Max Guhlke nahm zwei Gedichte in den 1913 in Stargard veröffentlichten Band „Pommersche Lyrik“ auf, der eine „Auslese aus der pommerschen Lyrik von den Anfängen bis zur Gegenwart“ vereint.

1923 zog Clara von Sydow vor die Küste ihrer geliebten Insel Rügen, in die Hansestadt Stralsund. Am 18. November 1928 ist sie dort verstorben.

In der Edition Gellen sind Neuausgaben der Bände "Alte Gefährten" und "Das selbe Lied" geplant, ebenso ein Band mit frühen Novellen. Der Neisse Verlag ist dankbar für biografische und bibliographische Hinweise auf die Autorin.