Belletristik

Clara Bauer

Ein Dokument

Kabale und Liebe in der russischen Provinz. Eine packende Familiengeschichte über zwei Generationen in einem Land des Umbruchs.

„Sehr lobenswerthe Grundsätze für einen Gardekapitän … Eine Frage muß ich an Sie richten, verzeihen Sie mir, wenn sie Ihnen peinlich ist, ich thue sie nur in Ihrem eigenen Interesse – haben Sie nicht daran gedacht, jetzt, da Ihr Vater seit zwei Jahren todt ist, die Geisteskrankheit Ihrer Mutter gerichtlich beglaubigen zu lassen, um in den selbstständigen Besitz des Vermögens zu gelangen, das vor dem Gesetz noch immer ihr allein gehört?“

„Ilia Abramitsch“, rief der junge Mann heftig, „können Sie mir in Ernst einen solchen Vorschlag machen? Soll ich die blutende Wunde unserer Familie vor den Tribunalen aufdecken? Was wir angstvoll verheimlicht, soll an das Licht gezerrt, von tausend müßigen Zungen besprochen werden? … Ich dächte, darüber brauchten Sie kein Wort zu verlieren!“

„Hören Sie mich ruhig an, Paul Alexandritsch, jedes Ding hat seine zwei Seiten, wenn Sie am Ende meiner Auseinandersetzung bei Ihrer Ansicht beharren, so werde ich mich ihr natürlich anbequemen, eine Verantwortlichkeit für die etwaigen bedenklichen Folgen muß ich jedoch dann ablehnen …“

„Bedenkliche Folgen? Reden Sie deutlicher, ich bitte.“

„Sogleich. Es ist Ihnen bekannt, daß Ihr gesammtes Vermögen, die beiden Güter Saßnikow und Petrowsk nebst Vorwerken und Höfen dazu gerechnet, das Ganze ein Kapital von ungefähr einer Million repräsentirend, das Eigenthum Ihrer Frau Mutter ist. Unter der Verwaltung Ihres Herrn Vaters und der meinen haben sich die Einkünfte beträchtlich vermehrt, ohne daß dadurch etwas an dem Verhältniß geändert worden wäre, das Kapital mit seinem Ertrage gehört allein Warwara Iwanowna. Ihr Vater brachte nichts in die Ehe, als – man könnte sagen: neunzigtausend Rubel minus, die Spielschuld Ihres Großvaters …“

Nach der Originalausgabe
Stuttgart, Leipzig 1876

Kartoniert, 460 S.
ISBN 978-3-86276-299-6
EUR 18,00