Zeitgeschichte

Frank-Lothar Kroll, Antonia Sophia Podhraski (Hg.)

Weltwende 1917

„Jeder Staat wird auf Gewalt gegründet.“ Dieses von Leo Trotzki stammende Zitat bezeichnet bereits einen normativen Wesenszug kommunistischer Herrschaft, ihrer Sicherung ebenso wie ihrer Expansion. Mit der Machteroberung der Bolschewisten im Oktober 1917 vollzog sich eine Weltwende, die nicht nur das seit 1906 formal als Rechts- und Verfassungsstaat firmierende Russische Zarenreich in eine kommunistische Ein-Parteien-Diktatur verwandelte, sondern auch ganz Europa fundamental veränderte.

Anlässlich des 100. Jahrestages des bolschewistischen Oktoberputsches organisierte die Technische Universität Chemnitz (Professur für Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts) eine Konferenz in Kooperation mit der Akademie Herrnhut, der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung des politischen Denkens, der Bundesstiftung Aufarbeitung, der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Umweltbibliothek Großhennersdorf zum Thema „Weltwende 1917 – Russland, Europa und die bolschewistische Revolution“ in Herrnhut. Dabei wurde, in bewusst interdisziplinärer Perspektive, nicht nur das Revolutionsgeschehen von 1917, sondern auch dessen aktuelle Bedeutung in den post-sowjetischen und europäischen Gesellschaften diskutiert.

Am Ende der in diesem Band versammelten Beiträge steht – neben der neuerlichen Entlarvung des bolschewistischen Großverbrechens und seiner hauptverantwortlichen Täter Lenin und Stalin – die insgesamt ernüchternde Erkenntnis eines noch immer viel zu langsam und viel zu zaghaft in Gang gekommenen interkulturellen europäisch-russischen Dialogs hinsichtlich des Umgangs mit den bolschewistischen Massenmorden der Vergangenheit. Jenseits aller unterschiedlichen Deutungen des Revolutionsgeschehens und seiner Folgen ragt indes ein prägendes Charakteristikum einmal mehr hervor: 1917 war eine Weltwende.

Einbandillustration: El Lissitzky (1890–1941): Lenin-Tribüne, 1920, Staatliche Tretjakow-Galerie Moskau

Inhalt

Vorwort (Albert Loehr, Zittau / Bamberg)

Weltwende 1917 (Frank-Lothar Kroll und Antonia Sophia Podhraski, Chemnitz)

I. IDEOLOGISCHE GRUNDLEGUNGEN UND VORLÄUFER

Russland, Europa – und der Westen. Historische Entwicklungslinien und Perspektiven (Frank-Lothar Kroll, Chemnitz, Berlin)

Totalitarismus – eine notwendige Denkfigur des 20. Jahrhunderts? (Alfons Söllner, Chemnitz)

Das proletarische Revolutionskonzept von Karl Marx – und seine Umkehrung durch Lenin? (Raj Kollmorgen, Zittau / Görlitz)

Baustelle Mensch – der proletarische Humanismus in der Sowjetunion (Jutta Scherrer, Paris, Berlin)

II. IDEOLOGIE – TERROR – WELTERLÖSUNG

Terror und Krieg in der Revolution. Lenins Ideologie der Gewalt und ihre ideologiegeschichtlichen Grundlagen bei Robespierre und Marx (Hendrik Hansen, Berlin)

Utopische Verheißung und kulturelle Herrschaftssicherung – 1917 und die Musik (Matthias Stadelmann, Erlangen)

Frühe westliche Deutungen der russischen Revolution – Waldemar Gurian und Fedor Stepun (Ellen Thümmler, Chemnitz)

Stalins Kirchenpolitik (Andrej Alexandrowitsch Kostrjukow, Moskau)

III. AKTUELLE PERSPEKTIVEN

Gewalt und Terror heute. Zum Umgang mit dem bolschewistischen Massenmord in Russland und Europa (Igor Narskij, Tscheljabinsk)

„… all diese Tatsachen sind hinter einer dicken Mauer aus Lügen versteckt.“ Neue Erkenntnisse zur Erfassung der Opfer des Bolschewismus unter Lenin und Stalin (Lidija Alexejewna Golovkova, Moskau)

Neumärtyrer in der Russisch-Orthodoxen Kirche. Probleme und Herausforderungen ihrer Kanonisierung (Andrej Alexandrowitsch Kostrjukow, Moskau)

Erforschung und Aufarbeitung der Prozess- und Ermittlungsakten im modernen Russland (Lidija Alexejewna Golovkova, Moskau)

Polen und die bolschewistische Herausforderung – Ein Sonderfall? (Stefan Garsztecki, Chemnitz)

Die Autoren des Bandes

Kartoniert, 268 S.
ISBN 978-3-86276-321-4
EUR 24,00